Aktuell *Ost Über Uns Archiv Impressum English





Von Alenka Gregoric.

Künstlerinnen aus Slowenien.

Tina Smrekar

Physische und psychische Lebens- und Arbeitsbedingungen zeitgenössischer Künstler sind das Thema von Tina Smrekars Serie »SUR*VIVER«, die sich aus Interviews, Fotodokumentationen und Installationen zusammensetzt. So hatte sie für ihre Ausstellung mit dem ironischen Titel »Hey, Let’s All Make Art« (2006) die Höhen und Tiefen künstlerischen (Über-)lebens aufs Korn genommen und sich selbst in diversen Jobs präsentiert, etwas als Souvenirverkäuferin auf dem Münchner Oktoberfest. Durch das Einsetzen formaler fotografischer Mittel wie etwa der extremen Nahaufnahme erreicht Smrekar in ihren Selbstporträts neben dem humoristischen auch einen tragischen Effekt. Charakteristisch für ihr Werk ist auch das Moment des Aussparens und Auslassens und der Wechsel vom Buchstäblichen ins Symbolische, wie in der Fotoserie »A Minute After« (2004), Selbstporträts, die sie nach dem Sex oder der Selbstbefriedung zeigen. Vordergründig Dokumentationen, auf den zweiten Blick eher Einladung an den Betrachter für eigene Assoziationen über Tabu, Schuld, Ekstase, Erotik und Sex. In ihrer Ausstellung »Breathe In, Breathe Out«, die im April im Siemens artLab in Wien zu sehen sein wird, beschäftigt sich Smrekar einmal mehr mit den Lebenswelten von Künstlern, diesmal mit praktischen Anti-Stress-Anleitungen für überarbeitete Künstlerkollegen in Form von »Selbsthilfeobjekten« oder Videos für die optimale Entspannung – »Lochen Sie bitte zur Erholung Papier!«. *1978 in Ljubljana. Lebt in Ljubljana.

son:Da
Das Künstlerkollektiv son:Da um den Maler Metka Golec und den Anthropologen Miha Horvat lebt und arbeitet vorwiegend in der slowenischen Stadt Maribor. Elektronische Sounds, digitale Technologien und die grenzenlose Faszination für diverse Medienspielarten sind ihr Anreiz für eine kritische Annäherung. Neben audiovisuellen Performances und Rauminstallationen bezeichnet son:Da ihre großformatigen Computerzeichnungen als ihr Markenzeichen. Meist Teil der Installationen, zeigen die Bilder in einfacher grafischer Darstellung urbane, stylishe Menschen, die sich in einem seltsam bezuglosen Raum zwischen Kabeln und Hightech-Geräten ansammeln. »Diese Bilder sind unbequem für den Betrachter«, beschreibt sie son:Da, »weil er sich mit den dargestellten Situationen identifizieren kann. Jeder von uns ist heutzutage von Medientechnologie komplett abhängig, arbeitet täglich zwischen Tausenden von Kabeln und inmitten einer hoch konzentrierten Elektrosmog-Wolke.« Alenka Gregoric zur Arbeit von son:Da: »Der Punkt bei ihnen ist, dass sie das die Gesellschaft bestimmende Hi-Fi mit extrem reduzierten Mitteln, also Low-Fi, auf einnehmende Art und Weise analysieren.«
*1972 in Ljubljana (Metka Golec), *1976 in Ljubljana (Miha Horvat ), leben in Ljubjlana.

Saso Sedlacek
Saso Sedlacek verfolgt die Idee, Roboter nicht nur als Dienstleister für ein bequemeres Leben einzusetzen, sondern auch für die Verbesserung sozialer Zustände. Ein solcher »Sozial-Automat« ist etwa der »Beggar 1.0«, ein Bettelroboter. »Es gibt immer mehr Arme in unserer Gesellschaft, die am öffentlichen Leben nicht mehr teilnehmen«, sagt der Künstler, »bestenfalls als Bettler, als die sie aber jederzeit fürchten müssen, aus dem öffentlichen Raum und dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen zu werden. Ein Bettelcomputer hilft ihnen, ihre Würde und Anonymität zu bewahren und trotzdem ihrer überlebenswichtigen Tätigkeit des Bettelns nachzugehen.« Sedlacek stellte den »Beggar 1.0« in einer slowenischen Einkaufsstraße auf, wo zwar das Betteln verboten ist, ein Bettelautomat aber in eine Gesetzeslücke fällt. Für den »Beggar 1.0« zeigte die Bevölkerung offenbar mehr Sympathien als für Menschen, die betteln.
In vielen seiner Projekte beschäftigt sich Sedlacek mit dem Thema Recycling, so auch bei dem bereits fünf Jahre laufenden Forschungsprojekt »Space Junk Spotting«, bei dem er die Möglichkeiten der Wiederverwendung von Weltraummüll – mittlerweile über 38 Millionen Einzelteile – untersucht. So visualisiert er etwa in der interaktiven Computerinstallation »Space Junk in Google Earth« (2006) mit roten Symbolen und genauen Bezeichnungen die registrierten Abfallstücke über einer Google-Karte. Durch Anklicken erhält man Infos über den Müll direkt aus der Datenbank eines staatlichen Observatoriums in den USA.
*1974 in Ljubljana. Lebt in Ljubljana.

BridA
Das Künstlerkollektiv BridA beschäftigt sich mit den Regeln und Mechanismen von Kommunikationsstrukturen. Die Mitglieder entwickeln eine Arbeit meist über mehrere Jahre hinweg. Das neueste Projekt ist der »Informationsbeschleuniger« (»Information Accelator«, 2008). Ein riesiges Rohrsystem, einem Heizungsrohr oder einer Pipeline ähnlich, das sich durch den Raum windet. Keine Attrappe im eigentlichen Sinn, sondern ein funktionierendes Transportsystem, ausgestattet mit allem technischen Equipment, womit man den vermeintlichen Informationsfluss steuern und beeinflussen kann, wie etwa seinen Druck erhöhen. »Mit dieser Installation wollen wir die Manipulation von riesigen Mengen an Informationen haptisch werden lassen und das scheinbar harmlose Unsichtbare in seinem Volumen sichtbar machen«, so BridA. Auch im »MODUX Project« ging es um das Offenlegen von normalerweise nicht sichtbaren Strukturen, nämlich um die Entstehung eines Kunstwerks von der ersten Informationsbeschaffung bis hin zum endgültigen »Produkt«. Auch diese Arbeit entwickelte BridA in einzelnen Etappen, eine davon war »Naredi sam/Do it yourself« (2005), wo Audio-Anleitungen zum Anfertigen eines Bildes zur eigentlichen Arbeit erklärt wurden. »Wir präsentieren dem Publikum nicht ein fertiges Produkt, sondern versuchen, es direkt in den kreativen Prozess einzubinden. Das führt zu einem viel höheren Grad an Interesse, Meinungsaustausch und unmittelbarer Konfrontation – all das ist die Essenz eines Kunstprojekts«, so BridA. (Sendi Mango, Tom Kersevan und Jurij Pavlica), gegründet 1996 in Venedig. Die Mitglieder leben in Ljubljana.



Artikel erschienen in: Spike Art Quarterly, April 2008
> Spike Art Quarterly